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Von den Kämpfen lernen

Seit geraumer Zeit ziehen die Beschäftigten bei Gorillas immer wieder große Aufmerksamkeit auf sich. Der Arbeitskampf, der als Solidaritätsaktion mit einem ohne Vorwarnung gekündigten Kollegen begann, entwickelte sich schnell zu einem europaweiten Kampf der Beschäftigten, um bessere Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung. Wir hatten die Gelegenheit mit einem Kollegen von Gorillas in Berlin ein Gespräch zu führen.

Wie sah dein Arbeitsalltag bei Gorillas aus? Warum bist du Gorillas-Fahrer geworden?

In erster Linie hat die Ausschreibung des Jobs mein Interesse geweckt. Darin hieß es, dass vor allem Englischkenntnisse von Nöten seien. Da meine Deutschkenntnisse nicht sehr gut sind, hat mich der Job angesprochen. Außerdem waren die ersten Beschäftigten, die ich kennenlernen durfte, ähnlich wie ich, aus vielen verschiedenen Ländern gekommen, weshalb ich von einer guten Arbeitsatmosphäre ausgegangen bin, in der ich mich wohl fühlen würde. Ein weiterer Grund war für mich die Bewegung, die der Job mit sich bringt. Aufgrund meiner Nebentätigkeit sitze ich sehr viel vor dem PC und hatte einen Job nötig, bei dem ich sowohl Sport treiben als auch den Kopf frei kriegen konnte. So ging meine Eingewöhnung sehr schnell. Wenn ich ehrlich bin: Das Paket abholen, zum Kunden bringen und wieder ins Lager fahren, ist kein allzu komplizierter Prozess. Ich habe sogar die Zeit gehabt, mich mit den Kollegen zu unterhalten oder mal ein Buch zu lesen, wenn mal keine Bestellungen reinkamen. Aus anderen Jobs bin ich auch schon andere Verhältnisse gewohnt. Als aber der anfängliche Enthusiasmus nachließ, sind mir immer mehr Details aufgefallen. Diese Details wurden immer präsenter und haben mit der Zeit immer schwierigere Arbeitsbedingungen mit sich gebracht.

Wie sahen diese Arbeitsbedingungen aus?

Von Anfang an bekam ich nur eine Vergütung, die knapp über dem Mindestlohn liegt. Hier und da kann durch Trinkgeld noch bisschen was reinkommen, aber alles in allem bewegt man sich auf Mindestlohnniveau. Wie ich eben erwähnt habe, haben sich die Anfangs vermeintlich guten Arbeitsbedingungen sehr schnell als gegenteilig gezeigt. Eine große Systemlosigkeit und eine Leitung, die sich nicht um die Situation der Beschäftigten schert, sind auf der Tagesordnung. Als ich beispielsweise mit der Arbeit begann war es Januar. In Schnee und Kälte waren wir selbst dafür verantwortlich entsprechende Kleidung zu haben. Wenn unsere Handschuhe durchnässt vom Fahrrad fahren waren, wurden uns Plastiktüten angeboten, die man sich überstreicht, wenn man Brot einpacken möchte. Oder wir mussten bei der Kälte draußen auf neue Bestellungen warten, da in den kleineren Depots kein Platz vorhanden war, wo wir Fahrer uns aufhalten konnten. Verschwitzt von dem hohen Gewicht der Pakete, waren wir der Kälte ausgesetzt und wurden reihenweise krank. Auf der anderen Seite führte das dazu, dass uns gedroht wurde, dass unsere Verträge nach der Probezeit nicht verlängert werden oder wieder nur 6-Monats-Verträge kommen, da wir zu oft krank werden würden. Alles in allem hatten wir vor allem im Winter weder dem Wetter entsprechende Kleidung, noch halbwegs tragbare Arbeitsbedingungen. Das Depot, in dem ich zuletzt gearbeitet habe, wurde zum Beispiel geschlossen, da es von Flöhen geplagt wurde.

Wie sah der Kontakt zu deinen Arbeitskollegen aus? Wie schätzt du die Vernetzung unter den Gorillas-Fahrern ein und wie habt ihr es geschafft, euch zu organisieren?

Obwohl die Vernetzung aufgrund der unterschiedlichen Arbeitszeiten und der hohen Arbeitsintensität schwer war, hat sich trotzdem ein starker Zusammenhalt unter den Kollegen gefestigt. Schnell habe ich Kollegen kennengelernt, die sich gegenseitig unterstützt haben und dadurch einen guten Kontakt zu den anderen Kollegen hatten. Das waren vor allem Kollegen die unter den Bedingungen der Pandemie ihre Jobs verloren hatten und bei Gorillas anfangen mussten. Kollegen, die viel Erfahrung in der Betriebsarbeit hatten und ein hohes politisches Bewusstsein hatten. Die Initiative dieser Kollegen spielt für die Organisierung aller eine große Rolle. Aber auch die unrealistischen Entscheidungen und Lügen der Leitung waren wichtige Faktoren und haben den Prozess der Organisierung angetrieben. So waren unsere ersten Aktionen an sehr einfache Forderungen geknüpft und losgelöst voneinander. Beispielsweise mussten wir allein für die Beschaffung von Regenjacken 6 Stunden lang streiken. Während wir damit beschwichtigt wurden, dass man sich bald darum kümmern würde, wurde uns vom Filialleiter vorgeworfen, dass wir ihn bestechen und bedrohen würden.

Was waren eure zentralen Forderungen und was war die Reaktion der Leitung?

Wie bereits erwähnt, war die Forderung nach angemessener Arbeitskleidung eine zentrale. Darüber hinaus forderten wir natürlich bessere Arbeitsbedingungen. Die Leitung begegnete unseren Forderungen damit, dass viele Kollegen gekündigt wurden. Diejenigen, die nicht so leicht zu kündigen waren und durch gewerkschaftliche Arbeit ungemütlich wurden, wurden gezielt in abseits gelegene Bezirke eingeteilt, um den Kontakt zu brechen. Nicht gegen wenige wurde auch gerichtlich vorgegangen.

Wie bewertest du in diesem Zusammenhang zum Beispiel das von euch erkämpfte Recht, einen Betriebsrat gründen zu können? Glaubst du dies wird zu Verbesserungen führen?

Allgemein muss man sagen, dass der einzige Weg zur Besserung der gemeinsame Kampf ist. Gorillas und andere Unternehmen verfolgen nur das Ziel der Profitmaximierung und wissen genau, dass dies nur durch stärkere Ausbeutung der Arbeiter gelingt. So wird die Ausbeutung zur politischen Agenda des Unternehmens. Gegen diese Profitgier ist unsere wichtigste Waffe, uns zu organisieren und mit unseren gemeinsamen Forderungen laut zu werden. Ebenso bin ich davon überzeugt, dass unsere Erfolge sich vermehren werden, je stärker wir uns in und mit unserer Gewerkschaft dafür einsetzen.

Edit: Aufgrund der harten Vorgehensweise der Leitung von Gorillas wollte der Kollege nicht, dass er namentlich abgedruckt wird. Andernfalls könnten ihm Konsequenzen drohen.

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